ANTWORTEN AUF IHRE FRAGEN
Blähungen – Luft im Bauch: lästig aber meist harmlos
Wie ist die normale Luftansammlung im Bauch?
Die Gasmenge im Darm wird von einem komplexen Gleichgewicht aus Bildung, Verbrauch und Diffusion des Gases zwischen Lumen und Blut bestimmt. Die Gasbildung im Magen-Darm-Trakt entsteht aus den vier Hauptquellen „verschluckte Luft“, „chemische Reaktion mit Bildung von Kohlendioxid (CO2) aus Magen- (H+) und Bauchspeicheldrüsensekreten (HCO3-)“, „bakterieller Vergärung der Kohlenhydrate im Dickdarm“ und „Gasdiffusion vom Blut in das Darmlumen“. Die Abgabe von Gas erfolgt über Aufstoßen, Aufnahme (Adsorption) ins Blut, bakteriellen Verbrauch und Ausscheidung über den After.
Das Gesamtvolumen des intraluminalen Gases beträgt unter normalen Bedingungen zwischen 100 und 200 ml, die in den verschiedenen Abschnitten des Verdauungstraktes gleichmäßig verteilt sind; der größte Anteil des Gases befindet sich im Dickdarm. Der menschliche Darm produziert etwa 200 – 2000 ml Gas pro Tag (Median 705 ml). Während des Verdauungsvorgangs einer einzigen Mahlzeit entstehen bis zu 1,5 Liter Darmgas. Dieses Darmgas wird jedoch zum größten Teil vom Darm aufgenommen, resorbiert und via Blut zu den Lungen transportiert. 99% der Luft besteht aus verschluckter Luft, der Rest wird im Darm gebildet. Für den üblen Geruch sind nur ca. 1% der Gase verantwortlich, nämlich Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan, Dimethylsulfid und Ammoniak.
Was führt zu vermehrter Luft im Magen-Darmtrakt?
Normalerweise wird im Laufe des Tages, abhängig von der Nahrung und der Verdauung, etwa 10-20 Mal, im Durchschnitt etwa 14 Mal, Luft (Flatus) abgelassen. Bei vermehrter Abgabe spricht man von Flatulenz. Meteorismus (Blähsucht) beschreibt hingegen das Gefühl, gebläht zu sein. Zusätzliche Luftansammlungen im Magen-Darm-Trakt können durch Fehlverhalten, wie vermehrtes Luftschlucken bei hastigem Essen, Stress oder psychische Auffälligkeiten (Aerophagie oder „Luftschlucken“) auftreten.
Darüber hinaus können blähende Nahrungsmittel häufig Ursache für eine übermäßige Darmgasbildung und -ansammlung sein. In diesem Fall sind die Beschwerden jedoch meist nur vorübergehender Natur. So steigt die Gasmenge bei Genuss von Bohnen von 15 ml/h auf ca. 170 ml/h an. Eine Umstellung der Ernährung, z. B. auf sogenannte Vollwertkost, kann dieselbe Wirkung haben. Gemüse, speziell Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen, Erbsen (auch Erdnüsse und Sojabohnen gehören hierzu), aber auch Paprika, führen bei fast allen Menschen zu mehr oder weniger starken Winden. Der blähende Effekt von Bohnen geht unter anderem auf Zucker zurück, die für den Menschen unverdaulich sind, nicht jedoch für Bakterien in seinem Darm. Genauso verhält es sich mit vielen Kohlsorten (z. B. Sauerkraut). Ballaststoffreiche Lebensmittel sollten nicht mit zuckerhaltiger Nahrung, auch nicht mit Obst oder Fruchtsäften, zusammen eingenommen werden, da hierdurch die Blähneigung zunehmen kann. Schwefelreiche Nahrungsmittel, wie die verschiedenen Kohlsorten, aber auch Zwiebeln und Knoblauch, führen zu geruchsintensiven Gasen.
Zusätzlich können angeborene oder erworbene Aufnahmestörungen von Kohlenhydraten im Dünndarm (z. B. Milchzucker-, Fruchtzucker-, Sorbitunverträglichkeit) durch Enzymmangel (z. B. Laktasemangel), Transporterstörungen (z. B. Fruktose, Sorbit) oder infektiöse bzw. allergische Entzündungen (Glutenallergie, Zöliakie) in der Dünndarmschleimhaut über die vermehrte Weitergabe der Zucker in den Dickdarm zur vermehrten Gasbildung führen. Dies trifft auch auf eine Bauchspeicheldrüsenschwäche mit unzureichender Fettverdauung bzw. die chronische Verstopfung mit Stuhlverhalt und bakterieller Stuhlzersetzung zu. Das Unterdrücken von Windabgängen kann zu vermehrten Blähungen, Bauchdruck, -krämpfen oder -schmerzen führen. Dieses Verhalten ist soziokulturell bedingt. So gilt das geräuschvolle Ablassen von Winden bei einigen Nationen als Ausdruck des Wohlbefindens und der Freundlichkeit.
Wann führt Luft im Verdauungstrakt zu Beschwerden?
Vermehrte Luftansammlungen im Magen-Darm-Trakt können bei Gesunden vorübergehende Beschwerden verursachen, die als belastend empfunden werden. Bei Patienten mit funktionellen Darmerkrankungen (z. B. Reizdarm, Reizmagen) liegt dagegen ein länger anhaltendes Problem vor. Diese Patienten klagen häufig über Symptome, die sie dem Gas im Darm zuschreiben, wobei eine Kombination mehrerer Symptome wie Blähungen, Bauchumfangszunahme (Distension), Darmgeräuschen (Bauchknurren), Bauchkrämpfen bzw. übermäßigem Windabgang vorliegen kann. Diese Beschwerden bedeuten jedoch nicht automatisch, dass vermehrt Gas im Magen-Darm-Trakt vorhanden sein muss. Vielmehr reagieren einige Patienten mit funktionellen Verdauungskrankheiten empfindlicher auf normale Dehnungsreize der Magen-Darm-Wand, da sie eine erniedrigte Empfindungs- bzw. Schmerzschwelle aufweisen. Bei diesen Patienten kann also die normale Gasentwicklung zu Beschwerden führen.
Beim vermehrten Luftschlucken tritt normalerweise wiederholtes Aufstoßen auf, wodurch die im Magen angesammelte Luft abgegeben wird, was zur Erleichterung führt. Aufstoßen ist hierbei häufig mit einem Völlegefühl am Mageneingang, Magendruck und Blähgefühl assoziiert, die die Patienten als übermäßiges Gas im Magen fehldeuten. In manchen Fällen wird der Prozess durch emotionalen Stress ausgelöst. Einige Patienten mit funktionellen Verdauungskrankheiten zeigen eine Bauchumfangszunahme, die sich im Laufe des Tages entwickelt und über Nacht zurückgeht. Dies ist mit einer Bewegungsstörung des Zwerchfells und einer Entspannung der Bauchmuskulatur verbunden. Hier täuscht die Bauchdistension eine vermehrte Gasmenge vor, die jedoch nicht vorhanden ist. Diese Reaktion wird als körperliche (somatische) Manifestation von funktionellen Darmerkrankungen interpretiert.
Wann muss der Arzt aufgesucht werden?
Bei neu auftretenden bzw. länger anhaltenden ausgeprägten Blähungen bzw. Windabgängen, die als belastend empfunden werden, sollte der Arzt aufgesucht werden. Insbesondere Alarmsymptome wie begleitende Stuhlveränderungen, Blutabgänge oder Gewichtsverlust sollten unbedingt zum Arztbesuch führen. Hierbei müssen im Einzelfall sämtliche der o. a. Ursachen abgeklärt werden. Wesentlich ist auch, dass die Vorsorgeempfehlungen bezüglich des Dickdarmkrebses beachtet werden.
Wie wird Luft im Bauch behandelt?
Patienten mit Hinweisen auf ein Fehlverhalten mit vermehrtem Luftschlucken können nach entsprechender Aufklärung über die Zusammenhänge ihr Essverhalten mit Einhaltung ausreichender Ruhe und Zeit ändern bzw. durch Abbau von Stressursachen eine Besserung erzielen. Typische Luftschlucker können psycho- bzw. verhaltenstherapeutisch behandelt werden.
Ein wesentlicher Faktor der Behandlung sind diätetische Maßnahmen. Hilfreich ist hierbei das Führen eines Ernährungstagebuchs zum Erkennen auslösender Nahrungsmittel. Eine professionelle Ernährungsberatung mit Einsatz einer niedrig-flatulogenen Ernährung sollte versucht werden. Hierbei ist auch an die Wirkung von blähenden Ballaststoffen zu denken, die durch wasserlösliche, nicht-blähende Ballaststoffe ersetzt werden können. Nach einer Woche gasfreier Ernährung wird meistens eine Besserung erzielt. Durch eine kontrollierte Wiedereinführung anderer Lebensmittel können dann beschwerdeauslösende Nahrungskomponenten identifiziert werden.
Gibt es Hinweise auf eine Kohlenhydratunverträglichkeit, können beim Arzt sogenannte Wasserstoffatemtests zum Nachweis einer Laktose-, Fruktose- oder Sorbitunverträglichkeit mit anschließender gezielter Ernährungsumstellung auf eine Milchzucker-, Fruchtzucker- bzw. Sorbit-arme Kost eingesetzt werden.
Bei einer chronischen Verstopfung sollte eine Stuhlregulierung durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr, körperliche Aktivität, Makrogole und gegebenenfalls aktive Laxantien, die bei bedarfsgerechtem und empfohlenem Einsatz gute, auch langfristig einsetzbare Medikamente sind, erfolgen.
Bei Patienten mit funktionellen Verdauungskrankheiten ist die Behandlung in der Regel komplexer, da die Blähungen häufig nur ein Teil einer Sammlung weiterer Beschwerden sind. Hier sollte im Einzelfall die Vorstellung bei einem Spezialisten für diese Erkrankungen erfolgen. Neben den bereits dargestellten Therapien können Phytotherapeutika (z. B. Iberis amara, Kümmel, Pfefferminzöl), Präbiotika, Probiotika und Antibiotika (z. B. Rifaximin, bzw. Butylscopolamin) versucht werden. Auch kombinierte Behandlungsstrategien können erwogen werden. Beim Reizdarmsyndrom wird in letzter Zeit eine sogenannte FODMAP-reduzierte Kost eingesetzt, die aus einer Diät mit reduzierten Anteilen fermentierbarer (F), Oligo- (O), Di- (D), Mono- (M) und Polyolen (P) besteht. Hier werden Erfolgsraten von etwa 60% beschrieben. Nachteil dieser Diät ist, dass sie nur von wenigen eingehalten wird bzw. über längere Zeit (> 6 Wochen) zur Mangelernährung führen kann. Diese strikte Ausschlussdiät kann daher auf lange Dauer nicht empfohlen werden, zumal die Effektivität im Vergleich zu einer ausgewogenen Ernährung unklar ist.
Wichtig ist bei diätetischen Therapieansätzen, dass viele Patienten mit funktionellen Erkrankungen individuelle Nahrungseinflüsse als Ursache ihrer Beschwerden angeben, ohne dass diese objektiviert werden können. Eine dogmatische Fixierung auf eine Diät sollte daher vermieden werden.
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Prof. Dr. Thomas Frieling
Internist, Gastroenterologe, Neurogastroenterologe und Palliativmediziner