ANTWORTEN AUF IHRE FRAGEN
Neurogastroenterologische Erkrankungen
Was sind neurogastroenterologische Erkrankungen?
Funktionsstörungen im Magen-Darm-Trakt sind mit den in der Praxis und Klinik verfügbaren Untersuchungstechniken messbare und somit objektivierbare Störungen. Beispiele hierfür sind die Transportstörungen im Darm bei Verstopfung, die veränderte Stuhlentleerung bei Stuhlinkontinenz, der vermehrte Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre bei Refluxkrankheit, die verzögerte Magenentleerung beim Völlegefühl nach der Nahrungsaufnahme oder die Blähungen und Bauchschmerzen bei Milchzuckerunverträglichkeit.
Demgegenüber können bei funktionellen Magendarmerkrankungen mit den klinisch einsetzbaren Untersuchungstechniken keine organischen Korrelate gefunden werden. Sie werden nach den ROM-Konsensuskonferenzen, aktuell ROM IV, klassifiziert. Beispiele dieser Motilitätsstörungen, funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen oder neuerdings Störungen der Magen-Darm-Achse sind das Reizdarmsyndrom, der Reizmagen, die funktionelle Verstopfung, Durchfall bzw. Blähungen.
Neuere detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eine Fülle an unterschiedlichen Ursachen, sodass funktionelle Erkrankungen heute ebenfalls als organische Erkrankungen aufgefasst werden müssen. Hierbei können die Ursachen im Einzelfall, wie auch beim Reizdarmsyndrom, sehr unterschiedlich sein.
Historisch bedingt wurden die gastrointestinalen Funktionen, die Funktionsstörungen und die funktionellen Erkrankungen unter den Begriffen Motilität bzw. Motilitätsstörungen zusammengefasst. Im Verlauf konnte jedoch nachgewiesen werden, dass motilitätsbedingte Erkrankungen wesentlich durch Störungen des enterischen Nervensystems („Bauchhirn“) bedingt und in ihren Ursachen sehr viel komplexer als reine Bewegungsstörungen sind. Dies hat zu den Oberbegriffen Neurogastroenterologie bzw. neurogastroenterologische Erkrankungen geführt. Beschwerden durch neurogastroenterologische Erkrankungen sind weit verbreitet und führen bereits jetzt zu den häufigsten Arztbesuchen. Sie verursachen häufige Krankheitsausfälle sowie eine verminderte Fähigkeit zur sozialen Teilnahme und dadurch eine erhebliche sozioökonomische Belastung.
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Prof. Dr. Thomas Frieling
Internist, Gastroenterologe, Neurogastroenterologe und Palliativmediziner