ANTWORTEN AUF IHRE FRAGEN
Unklare nichtkardiale Brustschmerzen
Was sind nichtkardiale Brustschmerzen?
Antwort: Die Abklärung von wiederkehrenden Brustschmerzen gehört zu den häufigsten Gründen, warum sich Patienten beim Arzt vorstellen, da diese als lebensbedrohliche Beschwerden empfunden werden.
Nach Ausschluss relevanter akuter Herz- und Lungenerkrankungen (STEMI, NSTEMI – ACS, stabile KHK, Aortendissektion, Lungenembolie, Spannungspneumothorax, Perikarderguss, Perikarditis, Pneumonie) verbleiben etwa 20–60 % der Patienten mit sogenannten nichtkardialen Brustschmerzen (nichtkardialer Thoraxschmerz, NCCP), bei denen keine kardiale Erklärung für die Beschwerden gefunden werden kann. Hierbei finden sich in ca. 40 % muskuloskelettale, in ca. 20 % gastrointestinale, in ca. 10 % psychiatrische und in ca. 5 % pulmonale bzw. mediastinale Ursachen.
Auch nach Ausschluss dieser Erkrankungen verbleibt ein signifikanter Anteil von Patienten mit unklaren NCCP, bei denen die Speiseröhre als Ursache vermutet wird.
Dieser hohe Anteil von Patienten ist weltweit ähnlich und findet sich auf allen Stufen der Versorgungssysteme, inklusive Chest Pain Units (CPU). Nichtkardiale Brustschmerzen erzeugen durch den mit Herzpatienten vergleichbaren hohen Leidensdruck und durch die Verunsicherung aufgrund der ungeklärten Ursache der Schmerzen häufige Arztbesuche und hohe direkte und indirekte Kosten im Gesundheitswesen.
Merke: Der nichtkardiale Thoraxschmerz (NCCP) ist häufig und führt aufgrund des hohen Leidensdrucks zu einer signifikanten sozioökonomischen Belastung.
Wie können Speiseröhrenerkrankungen nichtkardiale Brustschmerzen erzeugen?
Antwort: Ösophagus-induzierte nichtkardiale Brustschmerzen können grundsätzlich indirekt über Reflexe des Vagusnervs zwischen Speiseröhre und Herz, direkt durch die Überlappung der schmerzübertragenden Nerven zwischen Herz und Speiseröhre bzw. durch die zentrale Schmerzverarbeitung im Gehirn entstehen. So kann eine Säurestimulation in der Speiseröhre durch Reflux oder eine Speiseröhrendehnung beim Nahrungsschlucken zu Herzbeschwerden führen.
Merke: Chemische und mechanische Speiseröhrenstimulationen können durch die engen nervalen Verbindungen zwischen Ösophagus und Herz mit Überlappung der peripheren Schmerzübertragung bzw. zentralen Schmerzverarbeitung mit kardio-pulmonalen Afferenzen nichtkardiale Brustschmerzen induzieren.
Was sind die Besonderheiten von Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen?
Antwort: Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen unterscheiden sich demografisch nicht grundsätzlich von Patienten mit kardialen Brustschmerzen. Die den Arzt aufsuchenden Patienten empfinden jedoch stärkere Beschwerden und haben eine höhere soziale Beeinträchtigung. Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen haben im Vergleich zu Patienten mit kardialen Brustschmerzen häufiger psychische Auffälligkeiten (Panikstörungen, Depressionen, Phobien, Ängstlichkeit, vegetative Begleitreaktionen). Risikofaktoren für nichtkardiale Brustschmerzen sind Übergewicht, Nikotinabusus, Aspirin-Gebrauch, Rheumamedikamente (NSAR), Neurotizismus bzw. Ängstlichkeit. Alle Altersgruppen sind hierbei betroffen, wobei die Prävalenz im Alter abnimmt. Es besteht kein Unterschied zwischen Männern und Frauen.
Die Erkennung von Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen stellt eine klinische Herausforderung dar. Es existieren praktisch keine klinisch verwertbaren Charakteristika. Schmerzlokalisation oder -qualität und die Reaktion auf Nitroglycerin sind keine zuverlässigen Prädiktoren für eine Differenzierung zwischen kardialer und nichtkardialer Ursache. Auch die Schmerzausstrahlung und die Begleitsymptome haben nur eine geringe Sensitivität und Spezifität. Dies bedeutet, dass die klinische Diagnose von nichtkardialen Brustschmerzen unsicher ist und letztendlich eine Ausschlussdiagnose bleibt, bei der immer zunächst potenzielle kardiale Ursachen abgeklärt werden müssen.
Merke: Patienten mit NCCP sind klinisch schwierig von Patienten mit kardialen Brustschmerzen zu differenzieren.
Wie sollte die Betreuung von Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen erfolgen?
Antwort: Die Betreuung von Patienten mit NCCP muss interdisziplinär erfolgen. Hier ist insbesondere auch die Gastroenterologie gefordert, da sich häufig gastrointestinale Ursachen nachweisen lassen (siehe Tabelle). In 20–60 % der Fälle stehen die Speiseröhre mit Reflux und hyperkontraktilen Ösophagusmotilitätsstörungen im Vordergrund.
Merke: Die Betreuung sollte interdisziplinär und die Diagnostik durch Endoskopie bzw. Ösophagusfunktionsdiagnostik (Reflux, Motilitätsstörungen) erfolgen.
Welche Untersuchungen benötigen Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen?
Antwort: Nach Ausschluss einer kardialen Ursache sollten die Patienten, abhängig von der Klinik, interdisziplinär betreut und im Einzelfall in der Pneumologie, Rheumatologie, Gastroenterologie bzw. Psychosomatik weiterbehandelt werden (siehe Tabelle).

Patienten mit Störungen im Bereich der Speiseröhre haben am häufigsten eine Refluxerkrankung und/oder Speiseröhrenbewegungsstörungen (Ösophagusmotilitätsstörungen). Es sollten daher eine Magenspiegelung mit Speiseröhrenbiopsien zum Nachweis einer eosinophilen Ösophagitis sowie Speiseröhrenfunktionsuntersuchungen durch hochauflösende Ösophagusmanometrie und kombinierte 24h-pH-Metrie-Impedanzmessung durchgeführt werden (siehe Schluckstörungen).
Wie können Patienten mit nichtkardialen Brustschmerzen behandelt werden?
Antwort: Die Therapie der Ösophaguserkrankungen richtet sich nach den diagnostizierten Ursachen und sollte möglichst spezifisch sein (siehe Tabelle). Wichtig erscheint, dass der sogenannte Protonenpumpenhemmer-Test (PPI-Test) unspezifisch ist und nur den sauren Reflux erfasst, der nur bei etwa der Hälfte der Refluxereignisse auftritt. Des Weiteren sollten bei jeder Magenspiegelung Speiseröhrenbiopsien zur Detektion von Entzündungen, insbesondere einer eosinophilen Ösophagitis, entnommen werden. Zur weiteren Klärung ist häufig eine 24h-pH-Metrie-Impedanzmessung bzw. Ösophagusmanometrie angebracht.


Prof. Dr. Thomas Frieling
Internist, Gastroenterologe, Neurogastroenterologe und Palliativmediziner